Die Seele ist wie ein Wind

Vor ein paar Tagen war ich mit Freunden auf dem Disibodenberg im Hunsrück. Der Ort ist eng mit Hildegard von Bingen verbunden, die im dortigen Kloster von 1112 bis 1152 lebte. Hier entsteht eines ihrer Hauptwerke LIBER SCIVIAS, zu Deutsch: WISSE DIE WEGE, in dem sie ihre Visionen niederschreibt.

Von den einst mächtigen Gebäuden sind nur noch Reste übrig. Und dennoch ist der Ort nach wie vor voller Kraft und Frieden. Mein Blick fällt auf die stehen gebliebene Mauer des Pilgerhospizes. Die mächtige Eiche im Mittelschiff der Kirche bietet Schutz für eine Meditation. Im Kreuzgang zwischen den jahrhundertealten Säulenstümpfen werde ich für einen Moment zum Mönch.

Im kleinen Museum unterhalb des Berges erahnt man an den ausgestellten Resten die vergangene Pracht der Bauten. Die Blattgesichter krönten vor 700 Jahren das gotische Gewölbe der Kirche.

Abschließend ein Gedicht der großen Weisen, das vielleicht an diesem Ort entstanden ist.

Die Seele

Die Seele ist wie ein Wind,
der über die Kräuter weht,
wie der Tau,
der über die Wiesen träufelt,
wie die Regenluft,
die wachsen macht.
 
Desgleichen ströme der Mensch
Wohlwollen aus auf alle,
die da Sehnsucht tragen.
 
Ein Wind sei er,
der den Elenden hilft,
ein Tau,
der die Verlassenen tröstet.
 
Er sei wie die Regenluft,
die die Ermatteten aufrichtet
und sie mit Liebe erfüllt
wie Hungernde.

Hildegard von Bingen
(1098-1179)

Welch inspirierender Ausflug in den Frühling.

Pindo

5 Gedanken zu „Die Seele ist wie ein Wind

  1. kwconektde

    Danke für das teilen dieses Ausflugs, die Natur, un die Steinformationen. Welch große Geister Menschen sein können, wie Hildegard v. Bingen. Auch meine Mutter verehrte sie sehr. Am meisten haben mir die Blattgesichter gefallen.
    Bestes
    KW

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